Freitag, 23. Oktober 2020

Defekter BOSS CS-3: "Leichenschau", oder - aus Defekten lernen

Ich habe seit einigen Jahren einen defekten BOSS CS-3 Compression Sustainer herumliegen. Das Gerät hat irgendwo um 2014 herum den Geist aufgegeben. Die Umstände sind mir nicht klar, er ging irgendwann einfach nicht mehr.

Was mir noch in Erinnerung war: Die LED leuchtete nicht mehr und es wurde nichts mehr komprimiert - das Gerät soll ja Dynamik verringern, also die leisen Töne lauter und die lauten Töne leiser machen. "Sustainer" bezieht sich darauf, dass auch die ausklingenden Töne wieder angehoben und so verlängert werden können.

Das Gerät habe ich einfach in den Schrank gelegt, mit dem Hintergedanken, dass es irgendwer eventuell reparieren kann. Mittlerweile traue ich mir elektrotechnisch etwas mehr zu als noch vor sechs Jahren, deshalb dachte ich, dass ich ja eventuell jetzt dieser "Irgendwer" sein könnte. Ein interessantes Übungsobjekt zum Lesen von Schaltungen und zur Logik der Fehlersuche und -behebung bietet der BOSS allemal und ich muss mich nicht ärgern, wenn ich das Gerät noch kaputter "repariere".


Zuerst habe ich das Effektgerät mal an mein kleines PC-Oszilloskop (Vellemann PCSU200) angeschlossen, das auch einen eingebauten Funktionsgenerator besitzt. Ich habe mir hierzu ein paar Hilfskabel zusammengelötet, die sehr hilfreich sind auch bei der Spektrum-/Frequenzganganalyse von Gitarren-Equipment:



Hilfskabel zur Schaltungsanalyse mit PC-Oszilloskop
Hilfskabel zur Schaltungsanalyse mit PC-Oszilloskop: 6,5 mm Klinke auf Cinch (Funktionsgenerator) sowie 6,5 mm Klinke auf BNC (Oszilloskop Kanaleingang)


Ich habe einen 500 Hz Sinus auf den Eingang gegeben und am Ausgang mit dem Oszilloskop gemessen, was ankommt.


Erster Funktionalitätstest des Effektgerätes: Was funktioniert überhaupt?
Erster Funktionalitätstest des Effektgerätes: Was funktioniert überhaupt?


Es ist ersichtlich, dass irgendetwas in dem Gerät noch arbeitet, beim Ein- und Ausschalten sieht man am Ausgang eine Amplitudenänderung. Ich gehe also davon aus, dass die Ein-/Aus-/Bypass-Schaltung (Flip-Flop) noch funktioniert.

Beim Drehen an "Level" (erster Regler) verändert sich ebenfalls die Amplitude, auch beim Drehen an den anderen Knöpfen. Ganz tot ist das Gerät also nicht. Die LED bleibt aber aus, deshalb schaue ich mir diese als erstes an.


Ich messe zuerst die Spannung am Netzteileingang zwischen + und - . Hier haben wir die zu erwartenden 9 Volt Gleichspannung.


Messung der Eingangsspannung
Messung der Eingangsspannung
 

Wenn ich allerdings die Spannung zwischen Anode der LED und Gehäuse messe, sind hiervon nur noch etwas mehr als 6 Volt übrig:


Messung der Spannung LED Anode gegen Gehäuse Nullpunkt
Messung der Spannung LED Anode gegen Gehäuse Nullpunkt


Schauen wir uns also den Schaltplan an; diesen findet man im Internet, offenbar allerdings nicht von BOSS direkt, sondern analysiert und nachgezeichnet von Enthusiasten. Dieser Schaltplan sagt nun aber ganz klar, dass an der LED 9 Volt anliegen sollen:


Schaltplan: Status-LED mit zusammengehörenden Komponenten
Schaltplan: Status-LED mit zusammengehörenden Komponenten


Der Aufbau ist hier eventuell etwas anders, als man das mit LED in Effektgeräten kennt. Statt einer Spannung und einem Vorwiderstand, liegen die 9 Volt direkt an der Anode der LED an. Die Spannungsregulierung erfolgt über eine Zener-Diode hinter der LED (D9). Diese hat eine Durchbruchspannung von 5v6, also 5,6 Volt - bedeutet: eng begrenzt im Bereich dieser Spannung wird sie leitend, der Stromkreis wird geschlossen und die LED sollte leuchten.

Der Widerstand hinter der Zener-Diode fungiert nur als Spannungsteiler, um den Transistor (Q3) dahinter nicht zu sehr zu belasten. Wie man liest, verwendet BOSS diesen Aufbau mit Zener-Diode, weil hier beim Abweichen von der Eingangsspannung die LED schwächer leuchtet und dann - je mehr die Eingangsspannung fällt - gar nicht mehr. Dies ist besonders bei Batteriebetrieb ein Indikator, die Batterie zu wechseln.


Ich konnte an der LED einen Spannungsabfall von ca. 1 Volt messen. Das war der erste Hinweis, dass die LED eher nicht defekt ist, sondern die Spannung einfach zu gering ist, um sie zum Leuchten zu bringen.

Meine erste Idee war nun, dass mit der Zener-Diode etwas nicht stimmt. Also habe ich diese einfach zum Testen überbrückt - und siehe da, die LED leuchtet:


Überbrückung der Zener-Diode: Die LED leuchtet!
Überbrückung der Zener-Diode: Die LED leuchtet!


Es folgte Ausbau der Zener-Diode und Einbau einer neuen 5v6 (1N4734).


Die entlöteten Lözaugen der Zener-Diode
Die entlöteten Lötaugen der Zener-Diode

Die neue Zener-Diode
Die neue Zener-Diode (D9)


Die LED leuchtete mit der neuen Zener-Diode nun!

 

Die LED leuchtet nach Tausch der Zener-Diode nun auch im Normalzustand
Die LED leuchtet nach Tausch der Zener-Diode nun auch im Normalzustand

Meine Hoffnung, dass sich dann die Spannungen auch wieder eher in Richtung 9 Volt verhalten, so wie es sein sollte, wurden allerdings enttäuscht. Im Rückblick konnte das auch nicht sein.

Was sich aber geändert hatte war, dass der Spannungsabfall an der LED nun minimal größer war. Aber auch an der Zener-Diode konnte ich nur 5,01 Volt messen. Das ist nichtmal die nominale Durchbruchsspannung. Warum leuchtet die LED dann jetzt plötzlich?

Nachdem ich die originale Zener-Diode ausgebaut hatte, habe ich sie mit einem Komponententester geprüft. Dieser arbeitet leider nur mit 5 Volt, deshalb kann er die tatsächliche Durchbruchsspanung nicht messen, allerdings erkannt er, dass ich eine Diode angeschlossen hatte. Also war sie doch nicht defekt?


Ich kann hier nur Vermutungen anstellen.Unter Umständen gibt es gewissen Streuungen bei den Zener-Dioden. Ich messe an der neuen Zener-Diode einen Spannungsabfall von 0,7 Volt. Also leitet sie bei den 5,01 Volt Eingansspannung nicht ganz, aber zumindest ein bisschen. Genug offenbar, dass die LED nun leuchtet.

In der Schaltung befindet sich an anderer Stelle noch ein Spannungsteiler, an dem man 4,5 Volt messen sollte:


Schaltbild: Spannungsteiler an anderer Stelle - hier 4,5 Volt
Schaltbild: Spannungsteiler an anderer Stelle - hier 4,5 Volt

 

Auch hier messe ich nur ca. 3,5 Volt.

Das eigentliche Problem scheint nun die Spannungsversorgung im Effektgerät zu sein. 6,43 Volt statt 9 Volt und 3,5 statt 4,5 Volt sind eine ganze Menge - ich glaube es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Spannung im Gerät zusammengebrochen ist. Was kann da die Ursache sein?


An der Netzteilbuchse haben wir noch 9 Volt gemessen, also fangen wir mal hier an und verfolgen von dort die Schaltung.


Schaltbild: Schaltung der Versorgungsspannung
Schaltbild: Schaltung der Versorgungsspannung


Wir haben wie oben dargestellt den +9 V Bus, zu dem parallel eine Diode (D1) und ein Kondensator (C1) liegen. Ich vermute, dass die Diode ein Verpolungsschutz ist, der Kondensator zum Ausfiltern von Wechselspannungsoberwellen in der Schaltung ist. An beiden dürfte kein Spannungsabfall messbar sein, ich habe sie vorsichtshalber dennoch testweise komplett ausgebaut.


Leider bestand das Problem der zu niedrigen Versorgungsspannung immer noch, schlimmer noch: Am Widerstand R32 habe ich eine Spannung von ca. 2 Volt gemessen, die hier einfach gen Erde verschwindet! Wir haben es also mit so etwas wie einem "partiellen" Kurzschluss zu tun.

Im Schaltbild ist abgedruckt, dass der Widerstand R32 und die Diode D10 in neueren Modellen "gejumpered" sind. Also habe ich beide Komponenten testweise auch noch ausgebaut und mit einer Drahtbrücke überbrückt. In diesem Block der Schaltung waren nun also nur noch die Spannungsquelle, der Gehäusenullpunkt sowie - rechts im Bild - die + und - Anschlüsse der IC's 1,2 und 4.

Ich gehe zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass mit einem oder allen der IC's etwas nicht in Ordnung ist. Acht Beinchen pro IC, die direkt auf der Platine aufgelötet sind - supi!


Damit kommt der BOSS jetzt erstmal wieder in die Kiste, bis ich mal Lust habe, alle IC's auszulöten :-/

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