Sonntag, 28. Oktober 2018

Umbau einer günstigen Gitarre, Teil 2: Bestandsaufnahme und Teilesuche

[Zu Teil 1 dieser Blog-Post Reihe]

Im zweiten Teil der Restaurierung einer alten MARATHON-Gitarre beschäftigen wir uns mit der Bestandsaufnahme: In welchem Zustand befinden sich die einzelnen Bauteile? Was kann man noch benutzen und was muss ersetzt werden?

Wie im ersten Teil beschrieben, befand sich die zum Zeitpunkt der Restaurierung ca. 20 Jahre alte Gitarre die meiste Zeit ihres Lebens in einem Koffer im Keller - dieser Keller befand sich aber direkt neben einer Waschküche. Das sind erschwerte Bedingungen und somit war der Zustand auch absehbar.

Ich habe zunächst alles auseinandergebaut und die Teile einzeln begutachtet.

Das Griffbrett war stark angelaufen und sah stumpf aus, die Bundstäbchen waren stark oxidiert und mit einer grünen Schicht überzogen. Der Hals war aber nicht verzogen, was ihn umgehend unbrauchbar gemacht hätte.

Griffbrett stumpf und angegilbt
  

Überall Rost
   Alle Schrauben, mit Ausnahme der Schrauben an den Stimm-Mechaniken, 
   waren komplett verrostet und teils so stark zerfallen, dass sich nicht mehr
   alle per Schraubendreher haben losdrehen lassen. In diesem Fall musste
   etwas grob mit einer Zange gedreht werden.

Schraubenkopf im fortgeschrittenen Zerfall

Die Mechaniken hatten alle Spiel und fielen nach dem Abschrauben bereits auseinander, es handelte sich fühl- und sichtbar um extrem billige Modelle.

Stimm-Mechaniken in Leichtbauweise

Der Tremolo-Block und die Federn waren stark angelaufen, die noch aufgezogenen Saiten, beziehungsweise deren Ballenden, waren im Tremolo-Block festgerostet. Zudem ist mir Mitte der 90er mal der Jammerhaken abgerissen (Schrott ab Werk) und die Reste hingen seither noch im Gewinde.

Reste der Saiten im Tremolo-Block
Weisse Oxidschicht auf den Federn

Man ahnt es schon, auch die Elektrik war mehr oder weniger vergammelt. Die Pole Pieces der Tonabnehmer hatten etwas Flugrost, aber Potis und die Justage-Federn der Tonabnehmer waren stark verrostet.

Die originalen Tonabnehmer

Der Korpus war im Prinzip OK. Pressspan zwar, aber in ganz gutem Zustand. Der Lack ist nicht wirklich schön und wurde an manchen Stellen von meinem jugendlichen Selbst unfachmännisch mit einem Lackstift ausgebessert. Man beachte den alten "Lasse reinbøng"-Aufkleber, das war mal eine Werbung von Wick Hustenbonbons. Ich habe als Teenager anscheinend versucht, meine Gitarren mit Aufklebern aufzumotzen - verstehe ich heute nicht mehr, aber die bleiben definitiv dran, ist ein Teil der Geschichte der Gitarre.

Die Elektronikfächer waren mit einer - ich vermute es - isolierenden Farbe bemalt, man beachte die Pickup-Fräsung in Humbucker-Format an der Bridge. Offenbar war der Korpus ab Werk schon für die Option eines Bridge-Humbuckers ausgelegt.

Ich habe mich dann dazu entschieden, den Hals und den Korpus zu behalten und nach Möglichkeit wieder aufzubereiten. Wenn man Hals und Korpus tauscht, dann ist es ohnehin nicht mehr dieselbe Gitarre. Von einer Restaurierung kann man dann nicht reden, sondern müsste vom Neubau einer "Parts-Caster" sprechen.

Tremolo, Elektrik, Mechaniken und Schrauben wollte ich aber austauschen, diese waren schon in zu schlechtem Zustand und letztlich auch von so geringer Qualität, das eine Aufbereitung hier sinnlos gewesen wäre. Behalten habe ich auch noch die Befestigungsplatte der Ausgangs-Klinkenbuchse, diese hatte nur geringfügig Flugrost, was man leicht beseitigen kann (eine Nacht in Öl einlegen und dann abwischen).


Der leere Korpus. Man beachte die unterschiedlichen Pickup-Fräsungen
Der Lack ist hinüber, muss diesmal aber bleiben.


Die Liste der benötigten Teile setzte sich somit nach erster Prüfung aus Folgendem zusammen:

  • Neues Pickguard für drei Single Coil Tonabnehmer
  • Neue Schrauben für das Pickguard und die Abdeckkappe des Halsspannstabes an der Kopfplatte
  • Ein Satz neuer Stratocaster Tonabnehmer
  • Drei Potis und passende Knöpfe (1x Volume, 2x Tone)
  • Ein 5-Wege-Schalter
  • Eine Mono-Klinkenbuchse
  • Kabel/Litzefür die interne Verkabelung
  • Ein komplettes Tremolo mit Saitenreitern, Federn, Federhalter, etc.
  • Zwei neue String Trees (Saitenniederhalter)
  • Ein Satz neue Stimm-Mechaniken

Auf der Suche nach Teilen habe ich mich bei Thomann und Rockinger umgesehen, wo ich natürlich auch fündig geworden bin.

Der Teufel liegt hier aber im Detail, denn was schon ein Problem ist, ist der Umstand, dass die Gitarre ein Strat Nachbau ist. Aber der Nachbau von welcher Strat? Fender hat über die Jahre immer mal wieder Spezifikationen geändert, es gibt zudem eine US Strat und eine Mexiko Strat und darüber hinaus muss der Hersteller der günstigen Strat sich ja nicht an irgendwelche Originalmaße gehalten haben.

Ich habe festgestellt, dass zu den allermeisten Teilen, die man im Onlinehandel bestellen kann, keine vollständigen technischen Zeichnungen abrufbar sind. Man kann also nicht sagen, wie groß die Teile sind, man muss hier leider oft nach der Optik gehen. Wenn es möglichst viel Ähnlichkeit mit dem Originalteil hat, dann könnte es auch passen. Je älter und seltener eine Gitarre ist, desto schwieriger wird es, jemanden zu fragen. Ich denke, ich bin der einzige, der jemals eine MARATHON in dem Umfang umgebaut hat.

Das war ein ziemlich langwieriger Prozess, der auch zu einem größeren Fehlkäufen geführt hat: Wenn man eine Gitarre ohne ausreichende Erfahrungen umbauen will, muss man sich an das Zahlen von Lehrgeld gewöhnen! Es ist deswegen immer gut, vorher zu prüfen, ob man Teile zurückgeben kann und beim Auspacken und Ausprobieren sollte peinlichst genau darauf geachtet werden, dass nichts verkratzt wird und auch die Verpackungen intakt bleiben.

Ich will die einzelnen Haupt-Themen hier kurz zusammenfassen, weil es für ähnliche Projekte auf mögliche Probleme hinweisen kann. In der Darstellung der einzelnen Arbeitsschritte in den folgenden Teilen dieser Blog-Post-Reihe gehe ich noch genauer auf die Thematiken ein.


Pickguard

Es gibt normalerweise Strat Pickguards mit 8 oder mit 11 Löchern. An der günstigen Strat war ursprünglich eines mit 11 Löchern verbaut. Ich bin anfangs blauäugig davon ausgegangen, dass das schon alles genormt sein wird und habe hierauf nicht sonderlich geachtet - und einfach ein Pickguard wegen der Optik gekauft. Dies hatte nun zwar auch 11 Löcher, von denen aber rund zwei Drittel nicht mit den originalen Bohrungen übereingestimmt haben. Die Löcher waren also da, nur woanders :-)

Das war letztlich kein großes Problem, man verschließt einfach die nicht passenden alten Löcher und bohrt neue. Auf das Verschließen von Löchern in Gitarrenholz werde ich im nächsten Teil noch einmal zurückkommen.

Schrauben

Schrauben sind an und für sich kein Problem, man kann im Onlinehandel Pickguardschrauben, Mechanikenschrauben, etc. in Hülle und Fülle kaufen. Maße werden hier in der Regel angegeben und man muss sich nur zwischen flachem Kopf oder Senkkopf entscheiden.

Schwierig wird es, wenn man besondere Wünsche hat. Ich wollte für das Pickguard und die Abdeckplatte des Halsspannstabes gerne schwarze Schrauben haben. Dieser Wunsch war nicht so einfach zu erfüllen, ich musste hier teilweise vom Gitarren-Fachhandel auf den allgemeinen Schrauben-Bedarf ausweichen (Baumarkt Sortiment Zierschrauben).

Tonabnehmer

Benötigt wurde ein SSS-Set, also drei Mal Singlecoil, der Strat-Klassiker eben. Es gibt fertige Dreiersets und eine Auswahl wie Sand am Meer. Man kann sich auch zwischen einigen Signature Sets entscheiden, eine Entscheidung ganz nach Geschmack.

Bei den Online Händlern gibt es meist Hörbeispiele, auch wenn man sich im klaren sein muss, dass der Ton aus dem Verstärker bei weitem nicht allein vom Pickup geformt wird. Eine gewisse Unsicherheit besteht immer, wie es sich am Ende mit der eigenen Gitarre anhören wird.

Eine inflationär gebrauchte Angabe ist  der elektrische Widerstand der Pickups in KOhm. Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass hier der Gleichstromwiderstand angegeben wird. Das Signal, das die Pickups erzeugen, also ein Audiosignal, ist aber ein Wechselstrom. Der Gleichstromwiderstand sagt nichts über die eigentlichen Klangcharakteristiken aus, aber man kann hier natürlich Vergleiche zwischen verschiedenen Pickups bezüglich der Anzahl der Wicklungen ziehen. Mehr Wicklungen bedeuten mehr KOhm Widerstand und in der Regel bedeutet das eine höhere Signalstärke. Die Signalstärke ist nicht ganz unbedeutend je nachdem, was für Musik man machen möchte. Röhrenverstärker reagieren direkt auf die Stärke des Eingangssignals, ein höheres Eingangssignal führt leichter zu einer Verzerrung.

Der KOhm Wert eines Pickups sagt aber nichts über die Resonanzfrequenz/Resonanzüberhöhung eines Pickups aus, die eigentlich zu kennen interessant wäre. Also welche Frequenzbereiche im Audiosignal, das im Pickup erzeugt wird, besonders hervortreten. Je nachdem ist ein Pickup eher mittig oder höhenbetont, hat mehr oder weniger Bässe. Wer Stoner-Rock spielen will, wird sich mit höhenbetonten Pickups nicht anfreunden können.

Potis und andere Elektrik-Komponenten

Man muss sich zunächst einmal überlegen, was für eine Verdrahtung man gerne hätte. Es gibt im Internet viele Beispiele, wie man drei Singlecoil Pickups zusammenschalten kann. Viele interessante Beispiele finden sich auf der Webseite des Pickup-Herstellers Seymour Duncan:

Seymour Duncan Wiring Diagrams

Auch bei den Pickup Sets ist zumeist ein Verdrahtungsplan (Wiring Diagram) auf Papier dabei.

Ich habe mich für eine klassische Strat Verkabelung entschieden mit 5-Wege-Schalter und drei 250 KOhm Potis (1x Volume, 2x Tone).

Bei Singlecoil Pickups werden klassicherweise immer 250k Ohm log Modelle verwendet. Bei den linearen Modellen würde man fast den kompletten Regelweg keine Veränderung bemerken, da unser Gehör auch eher logarithmisch hört.

Bei den Drähten/Litzen habe ich ein ganz klassisches, ungeschirmtes Modell mit Stoffummantelung gewählt, hauptsächlich wegen der klassischen Optik. Es gibt gute Gründe, eher ein geschirmtes Kabel zu verwenden. Hierbei ist die signalführende Leitung innen, außen ist eine ebenfalls leitende Ummantelung, die aber mit der Masse (Erde) verbunden wird.

Zu dem Thema Abschirmung habe ich viel im Internet recherchiert, denn jeder, der schonmal Singlecoil Pickups benutzt hat, weiß: Die brummen. Ich habe mich dazu entschlossen, in diesem Bereich so viel wie möglich zu machen. Das bedeutet: Abschirmung des E-Faches von allen Seiten, so dass die Elektronik praktisch komplett von äußerer Einstrahlung geschützt ist. Mit bauartbedingten Abstrichen, wie wir noch sehen werden.

Letztlich wird man bei Singlecoils nie ganz auf ein Brummen verzichten können, denn Pickups schauen mit ihren freigelegten Pole Pieces (Magneten) nunmal aus dem Pickguard heraus und können hier auch Störungen auffangen.

Tremolo

Ein ähnliches Problem wie beim Pickguard gab es auch mit dem Tremolo. Hier hat es sich als riesiges Thema herausgestellt, dass keine technischen Zeichnungen verfügbar waren. Ich habe "auf Sicht" ein Fender Vintage Strat Tremolo 57/62 gekauft und dann festgestellt, dass dieses viel zu breit war.

Nach langen Internetrecherchen bin ich dann darauf gestoßen, dass es ein schmaleres Tremolo von der Mexiko Strat gibt. Dieses habe ich nur bei einem US Händler gefunden - das war teuer, hat aber glücklicherweise gepasst.


Mechaniken

Hier hat der Sichtvergleich sofort gezeigt, dass es keine Mechaniken gab, die den originalen auch nur ähnlich sehen. Also habe ich klassische Strat Mechaniken gekauft und wusste von vorneherein, dass hier definitiv Anpassungsarbeiten notwendig sein würden.


Im nächsten Teil fangen wir mit dem Zusammenbau an und gehen ins Eingemachte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen